Die Gesprächstherapie, klientenzentrierte Psychotherapie oder klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie ist eine Psychotherapieform der Humanistischen Psychologie, die auf Konzepte von Carl Rogers (1902–1987) zurückgeht.
Das Menschenbild der Klientenzentrierten Psychotherapie geht davon aus, dass der Mensch eine angeborene „Selbst-Verwirklichungs-“ und „-Vervollkommnungstendenz“ (Aktualisierungstendenz) besitze, die, unter günstigen Umständen, für eine Weiterentwicklung und Reifung der Persönlichkeit sorge. Der Hilfesuchende trage alles zu seiner Heilung Notwendige in sich und sei selbst am besten in der Lage, seine persönliche Situation zu analysieren und Lösungen für seine Probleme zu erarbeiten. Ausgehend von diesem humanistischen Menschenbild folgerte Rogers, Psychotherapie müsse ein günstiges Klima für den gestörten Wachstumsprozess schaffen.
Rogers’ wichtigste persönlichkeitstheoretische Annahme einer „Aktualisierungstendenz“, dass der menschliche Organismus aus sich selbst heraus danach strebe, sich zu entfalten und zu erhalten, entspricht den Vorstellungen des Neurologen Kurt Goldstein (1878–1965), der eine „Selbstaktualisierungstendenz“ des menschlichen Organismus annahm.
Ein zentraler Begriff im Sinne einer „fully functioning person“ ist dabei das Selbstkonzept. Aus einer Diskrepanz (Inkongruenz) zwischen dem Erleben (experiencing) des Organismus und dem Selbstkonzept entstehen psychologisch relevante Spannungen und erscheinen dem Menschen als Konflikte. Ein Beispiel für Inkongruenz (entspricht einer psychischen Fehlfunktion): Eine Mutter lebt allein mit ihrem volljährigen Sohn. Jedes Mal, wenn dieser offen Pläne für seinen Auszug macht, wird die Mutter krank (bekommt z. B. Hustenanfälle, Fieber o. Ä.). Die Gesprächstherapie nach Rogers erklärte das Symptom der Mutter (die Krankheitsanfälligkeit) durch eine Inkongruenz zwischen der aktuellen Erfahrung (der Angst, den Sohn zu verlieren) und dem Selbst (dem eigenen Anspruch, keine klammernde Mutter sein zu wollen und dem Sohn ein selbständiges Leben gönnen zu wollen). Ziel der Therapie ist eine reifere emotionale Anpassung, indem Ideal- und Selbstbild in Übereinstimmung gebracht werden.
Die Psychotherapie-Theorie ruht im Wesentlichen auf zwei Säulen: einer wissenschaftlich überprüften Aussage über wirkungsvolles Eingehen von Psychotherapeuten und Beratern auf ihre Klienten und die Grundannahmen über die Natur des Menschen („Aktualisierungstendenz“ sowie „Bedürfnis nach bedingungsloser positiver Wertschätzung“).
Damit eine psychologisch relevante Veränderung des Selbstkonzepts einer Person stattfinden kann, müssen vom Therapeuten die drei Grundhaltungen in der Beziehung zum Klienten gelebt werden:
- Bedingungslose positive Wertschätzung gegenüber der Person des Ratsuchenden mit ihren Schwierigkeiten und Eigenheiten. Das Bedürfnis nach bedingungsloser positiver Wertschätzung gehört auch zu den personzentrierten Grundannahmen über die Natur des Menschen. Die bedingungslose positive Wertschätzung gegenüber dem Klienten kann verschiedene konkrete Interaktionsformen annehmen. So gehört das vorbehaltslose Annehmen des vom Klienten Ausgedrückten dazu, das Ermutigen der ratsuchenden oder leidenden Person ist ebenso eine Grundform des bedingungslosen Wertschätzens wie das Ausdrücken von Solidarität mit dem Klienten (J. Finke, 2004).
- Empathie: Einfühlsames Verstehen der Welt und der Probleme aus der Sicht des Klienten, und die Fähigkeit, diese Empathie dem Klienten zu kommunizieren. Bei der Empathie als generativem Prinzip von hilfreichen Therapeut-Klient-Interaktionen können verschiedene Formen unterschieden werden. Grundformen der Empathie sind beispielsweise die Wiederholung des Mitgeteilten, die Empathie als Konkretisierung des Gesagten, die Empathie mit Bezug auf das Selbstkonzept des Klienten sowie die Empathie mit Bezug auf das organismische (haltungsprägende) Erleben des Klienten (J. Finke, 2004).
- Kongruenz in seiner Haltung (Echtheit, Wahrhaftigkeit gegenüber dem Klienten): Offenes Wahrnehmen des eigenen Erlebens als Therapeut oder Berater, der mit dem Klienten in Beziehung steht. Dieses Offen-Sein schließt auch Echtheit in dem Sinn ein, dass Psychotherapeuten und Berater nicht nur als Fachpersonen in Erscheinung treten, sondern auch und besonders als Person sich dem Klienten in der Begegnung zu erkennen geben. Bei der Kongruenz als generativem Prinzip von hilfreichen Therapeut-Klient-Interaktionen können zum Beispiel verschiedene grundsätzliche Echtheitsformen des Therapeuten unterschieden werden. Echtheit im Sinne von Konfrontation mit dem Klienten, Echtheit im Sinne von Klärung des Beziehungsgehaltes mit dem Klienten und Echtheit/Kongruenz im Sinne einer Selbstmitteilung des Therapeutenerlebens gegenüber dem Klienten (J. Finke, 2004).
Die Wirkung von personzentrierter Psychotherapie und Beratung wurzelt in erster Linie in der Umsetzung dieser drei Grundhaltungen. Sie prägt die Beziehung zum Klienten, der sich dank dessen seiner eigenen Person zunehmend wertschätzende, empathisch und kongruent zuwenden kann (Persönlichkeitswachstum). Die jeweils konkrete personenzentrierte Interaktion, welche von diesen Grundhaltungen geprägt ist, hat stets zum Ziel, die Inkongruenz der ratsuchenden Person zu reduzieren. Die konkrete Umsetzung dieser Haltungen ist jedes Mal auf den Klienten abzustimmen und ergibt zwangsläufig einen je eigenen, personenzentrierten Prozess. Die Wirkung liegt nicht im theoretischen und diagnostischen Experten-Wissen über Klienten oder in der Anwendung therapeutischer Techniken.
Zusätzlich zu diesen sogenannten therapeutischen Grundhaltungen stellte Rogers drei weitere Bedingungen für eine erfolgreiche Klienten-Therapeuten-Beziehung auf:
- Es besteht ein psychologischer Kontakt zwischen Klient und Therapeut.
- Der Klient befindet sich in einem Zustand der Inkongruenz.
- Das therapeutische Angebot der Grundhaltungen (1–3) muss vom Klienten zumindest im Ansatz wahrgenommen werden können.
Wenn alle sechs Bedingungen erfüllt sind, ist psychotherapeutische Veränderung möglich.
Die gesamten sechs Bedingungen können als einer von mehreren Beiträgen von Rogers gelesen werden, die Psychotherapie wissenschaftlich zu definieren und auch variablenpsychologisch erforschbar zu machen. Zahllose empirisch-wissenschaftliche Studien seit den Anfängen der klientenzentrierten Psychotherapie belegen im Übrigen die Richtigkeit seines theoretischen Psychotherapiemodells.
Insbesondere diese Methoden und Konzepte wurden auch auf angrenzende Anwendungsgebiete wie Gruppentherapie, Kinder- (als Spieltherapie), Paartherapie und Familientherapie sowie in diverse psychosoziale und pädagogische Praxisfelder übertragen.
Quelle: Wikipedia